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Entblößung ohne bloßgestellt zu werden


Ist es eigentlich legitim, über die Freikörperkultur zu lachen? Gibt es eigentlich große Schnittmengen zwischen der Entblößung des Körpers und dem Bloßlegen von Schwächen durch den Humor? Mit dem Cartoon-Band „FKK – Die nackte Wahrheit“ gibt der Zeichner Mario Lars irgendwie Antworten auf die Fragen, die sich im Kontext von Freikörperkultur und Lachen stellen. Dabei gibt er FKK nicht der Lächerlichkeit preis, sondern bildet insbesondere den Faktor Mensch ab.

Wenn dies für den Einzelnen nicht glaubhaft erscheint, der möge schon das erste Cartoon in den Blick nehmen. Während der in die Jahre gekommene Herr am FKK-Strand die Strandnachbarin fragt, ob er sich eine Badehose anziehen solle, antwortet die Gesprächspartnerin, dass sie sich nicht über jede Kleinigkeit aufrege.

Die einzelnen Szenen, die Mario Lars darstellt, sind am Nacktbadestrand alltäglich. Da klagen selbst die lebhaft schwimmenden Fische, dass die Badenden doch Badekleidung tragen sollten, wenn sie in die Fluten eines Sees oder des Meeres steigen. Während der Ehemann klagt, dass die Lachmöwe nicht lache, prophezeit die Ehegattin, dass der Ehemann nur warten möge, bis er seine Badehose ausziehe.

Mario Lars hat wohl seine eigenen Wurzeln in der ehemaligen DDR. Dort hat er wohl ganz viele Erfahrungen mit der Freikörperkultur gemacht. Davon zeugen die gut sechs Dutzend Bildererzählungen. Er zaubert der Betrachterin und dem Betrachter immer wieder ein Lächeln ins Gesicht. Aus der Distanz des Zeichners betont er, wie unwichtig die Spuren eines Lebens am eigenen Körper sind.

Der Zeichner klagt in seinen einleitenden Worten, dass sich der Alltag an den Stränden der Ostsee einschneidend verändert hat. Es gebe kaum noch Nackte an den ostdeutschen Stränden. Wörtlich: „Die Hubers dieser Welt haben sie angezogen“ (S. 6). Und es gebe eine Angst „vor den allgegenwärtigen, winzigen und doch so hochauflösenden Kameras in all den Telefonen mit den Livestream ins Internet“ (S. 6).

Insofern erscheint der Cartoon-Band „FKK – Die nackte Wahrheit“ als Erinnerung an die Ursprünglichkeit der Nacktbadestrände und der Freikörperkultur. Die Naturistinnen und Naturisten, die Nudistinnen und Nudisten haben die Möglichkeit, über die Haltung zum eigenen Körper und die eigene Begeisterung für die Freikörperkultur zu lachen. Vor allem können sie über sich selbst herzlich lachen.

Mario Lars gelingt es, mit seinen Cartoons das Zwischenmenschliche besonders zur Sprache zu bringen. Während der Ehemann klagsam fragt, was der Wind habe, was er nicht habe, antwortet die Gattin ohne das Verziehen der Gesichtsmuskeln: „Du meinst die steife Brise?“

Das Buch „FKK – Die nackte Wahrheit“ hat etwas von einem Erfrischungsbad, das im Naturisten-Alltag nicht nur für Heiterkeit sorgt. Mario Lars schafft es bei allem Mühen, die Betrachterinnen und Betrachter nicht nur zum Lachen zu bewegen, sondern auch über sich selbst und die Freude an der Freikörperkultur nachzudenken. Insofern finden die Betrachterinnen und Betrachter über die Entblößung zu sich, ohne irgendwie bloßgestellt zu werden.

Mario Lars: FKK – Die nackte Wahrheit – Cartoons mit ohne Badehose, Verlag Bild und Heimat, Berlin 2020, ISBN 978-3-95958-239-1, 80 Seiten, 9.99 Euro.