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Naturistischer Optimismus - Buch zur Freikörperkultur in Frankreich


Rezension von Christoph Müller

Haben Sie Ideen, wie man die Freikörperkultur ansprechend und überzeugend in einem Buch darstellen kann? Brauchen Sie Anregungen, wie Sie die Aufmerksamkeit von Zeitgenoss_innen gewinnen können? Schauen Sie einmal in das Buch „Voir la france tout nu“. Es schafft, was nur wenige Publikationen, die sich mit dem Naturismus auseinandersetzen. Die Augen der Leser_innen verweilen nicht nur bei der Lektüre, das Buch zieht die Menschen in den Bann.

Die grafische Gestaltung ist überzeugend. Abwechslungsreich führt das Buch die Leser_innen durch die FKK-Gelände Frankreichs. Nicht nur das, Leser_innen lernen auch Menschen kennen, die in Frankreich für die Freikörperkultur stehen. Ob es das Lächeln des Pariser Naturisten Laurent Luft oder die frischen Augen des jungen Alexandre Sauvage sind, sie sind offensichtlich Überzeugungstäter, die die Leser_innen gerne kennenlernen würden. Viele Fotografien zeigen, dass man nackt nicht nur campen, sondern vor allem Sport treiben kann.

Frankreich gilt wohl als das Reiseziel Nummer Eins weltweit. Dies wundert nicht. Unzählige Gelände am Mittelmeer, am Atlantik und vor allem auch im Binnenland präsentieren sich attraktiv für die Besucher_innen. Eine besondere Attraktivität bieten schließlich auch die FKK-Gelände in französischen Gebirgen.

Das Buch ist nicht nur für Menschen, die das Nacktsein schon für sich entdeckt haben. Auch Neulinge in der Freikörperkultur finden auf konkrete Fragen wohlwollende Antworten. Sie finden beispielsweise Verhaltensregeln für die eigene naturistische Premiere. Dabei zeigt sich, dass die Sprache des Buchs sehr wohlwollend daherkommt. Wenn Naturist_innen darauf aufmerksam machen, dass gegenseitiger Respekt unabhängig von Herkunft, sozialem Stand oder was auch immer herrscht, die Autor_innen werden dem eigenen Anspruch gerecht.

Apropos Anspruch: Unter Naturist_innen gibt es immer wieder Diskussionen um die Gestaltung von Fotografien in Veröffentlichungen. Die Illustratorin Mélody Denturck und die Autor_innen verwirklichen einen ästhetischen Anspruch, der sich damit verbindet, dass die Fotos von nackten Menschen auch ansprechend sind. Nacktheit kommt auf jeden Fall nicht plump daher.

Wenn ein Mensch inmitten einer Blumenwiese mit ihrem Zelt die Einsamkeit eines naturistischen Geländes genießen kann, dann wundert es nicht, dass Menschen in dieser Umgebung einen Urlaub verbringen wollen. Auch die Weite und Unberührtheit von Sandstränden offeriert Alternativen zu hochgerüsteten Ferienresorts. So unterstreichen die Autor_innen auch, dass FKK-Campen immer auch ein Familienerlebnis sein kann.

Das Buch „Voir la france tout nu“ liegt derzeit lediglich in französischer Sprache vor. Ob es sich für den Verlag lohnt, eine Übersetzung ins Deutsche zu veranlassen, mag dahingestellt sein. Nichtsdestotrotz hat es die Kraft in sich, Naturist_innen in anderen Ländern Ideen zu geben, wie die FKK-Freikörperkultur im eigenen Land dargestellt werden kann. Wer das Buch als Anstoß nimmt, den eigenen Rucksack zu packen, der kann die positiven Botschaften des Buchs leibhaftig erleben.

Als Botschafter_innen des Naturismus kennt man Pénégry und Naked Wanderings. Sie haben einmal mehr gezeigt, dass sie für die naturistische Idee leben. Es ist zu hoffen, dass sie weiterhin für die Sache unterwegs sind und naturistischen Optimismus in die Welt tragen.

Julien-Claude Pénégry & Naked Wanderings (Text), Mélody Denturck (Illustrationen): Voir la france tout nu, Hachette Livre, Paris 2021, ISBN 978-2-01-395900-1, 185 Seiten, 19.90 Euro.